Das Böse und der Glauben
Mohssen Massarrat und Pedram Shahyar (Ko-Kreis Attac) haben einen gemeinsamen Appell verfaßt, "die Bewegung für Demokratie und Emanzipation im Iran mit voller Kraft zu unterstützen".
Das Anliegen an sich ist sympathisch, ihre Argumentation ist jedoch in Bezug auf die konkrete aktuelle Situation im Iran nach wie vor wenig überzeuged. Es wird viel behauptet, doch nichts belegt.
Das Anliegen an sich ist sympathisch, ihre Argumentation ist jedoch in Bezug auf die konkrete aktuelle Situation im Iran nach wie vor wenig überzeuged. Es wird viel behauptet, doch nichts belegt.
Glauben muß man vor allem, dass es einen "gigantischen Wahlbetrug" gab, an dem "nicht der geringste Zweifel" bestehe. Stichhaltige Beweise brauchen die beiden dafür offenbar nicht. "Wer belastbare Beweise sucht für diesen Putsch", teilte z.B. Pedram Shahyar im jW-Interview den Lesern mit, "hat keine Ahnung vom politischen System im Iran."
Wie sagte der Kabarettist Volker Pispers einmal so schön: "Wenn man weiß, wer der Böse ist, hat der Tag gleich Struktur."
Da trifft es sich gut, dass die junge Welt (vermutlich als einzige deutsche Zeitung) auch die andere Seite zu Wort kommen läßt: durch ein Interview mit dem iranischen Botschafter Ali Reza Sheikh Attar. Dieser bestreitet darin nicht, dass sich bei den Wahlen ein breiter Wunsch nach Reformen manifestiert hat. "»Die Iraner wollen Veränderung« - Präsidentschaftswahl macht Notwendigkeit innenpolitischer Korrekturen deutlich."
Wie so viele, scheinen auch Mohssen Massarrat und Pedram Shahyar ihre Einschätzung von Umfang und Zusammensetzung der Protestbewegung im wesentlichen aus dem engen Kontakt mit dieser selbst zu schöpfen. Experten mit einem weiteren Blickwinkel schätzen dies völlig anders ein (s. u.a. Wishfull Thinking oder "Grüne Revolution" und "Fragen und Antworten zur "Irankrise").
Der ehem. palästinensische Knesset-Abgeordnete Azmi Bishara z.B. ist überzeugt, dass der größte Teil der Jugend aus den armen Schichten genauso Ahmadinedschad unterstützt wie die Armen in Venezuela Chavez unterstützen. Leute, "die denken ihre Stimme habe qualitativ mehr Gewicht als die zahlenmäßige größere der Armen" und die glauben "sie repräsentieren die Mehrheit, weil sie eine Mehrheit in ihrem Teil der Stadt bilden" sind für ihn arrogant, undemokratisch und elitär.
Der Appell verweist auf die Kriegsdrohungen gegen den Iran und stellt fest:
Wer daher zur Unterstützung der "Pro-Mussawi Protestierer" aufrufe, unterstütze objektiv auch die "Pro-Privatisierungs-Ziele" Mussawis und stelle sich gegen "Millionen von Arbeiterklasse-Iranern", die ihre Sozialprogramme, Mindestlöhne etc. zu verteidigen suchen.
Wie sagte der Kabarettist Volker Pispers einmal so schön: "Wenn man weiß, wer der Böse ist, hat der Tag gleich Struktur."
Da trifft es sich gut, dass die junge Welt (vermutlich als einzige deutsche Zeitung) auch die andere Seite zu Wort kommen läßt: durch ein Interview mit dem iranischen Botschafter Ali Reza Sheikh Attar. Dieser bestreitet darin nicht, dass sich bei den Wahlen ein breiter Wunsch nach Reformen manifestiert hat. "»Die Iraner wollen Veränderung« - Präsidentschaftswahl macht Notwendigkeit innenpolitischer Korrekturen deutlich."
Wie so viele, scheinen auch Mohssen Massarrat und Pedram Shahyar ihre Einschätzung von Umfang und Zusammensetzung der Protestbewegung im wesentlichen aus dem engen Kontakt mit dieser selbst zu schöpfen. Experten mit einem weiteren Blickwinkel schätzen dies völlig anders ein (s. u.a. Wishfull Thinking oder "Grüne Revolution" und "Fragen und Antworten zur "Irankrise").
Der ehem. palästinensische Knesset-Abgeordnete Azmi Bishara z.B. ist überzeugt, dass der größte Teil der Jugend aus den armen Schichten genauso Ahmadinedschad unterstützt wie die Armen in Venezuela Chavez unterstützen. Leute, "die denken ihre Stimme habe qualitativ mehr Gewicht als die zahlenmäßige größere der Armen" und die glauben "sie repräsentieren die Mehrheit, weil sie eine Mehrheit in ihrem Teil der Stadt bilden" sind für ihn arrogant, undemokratisch und elitär.
The mood among those who think that their votes carry more weight qualitatively than the numerically greater votes of the poor, and who may actually believe that they represent the majority because they form the majority in their own parts of town even if they are the minority in the country, has an arrogant, classist edge. Obviously, it is not a very democratic attitude because as sincerely leftist as it may appear, its liberalness is offset by its underlying elitism. We have met this mood on many occasions. Out of sympathy for the young involved in protest politics some intellectuals (I refer to myself, here, at least) have softened in their duty towards the young.In ihrem jüngsten Appell "NO to U.S./Israeli Intervention in Iran!" übt das US-amerikanische "Stop War on Iran"-Bündnis (zu dem auch das International Action Center gehört) deutliche Kritik an Friedens- und Menschenrechtsgruppen, die aktiv die "Reformbewegung" im Iran unterstützen.
... The intellectual must keep a critical distance if he is to perform his duty towards the young and encourage them towards critical liberationist outlooks and open their eyes to prejudice, myth, illusion and other reactionary traps. (An alternative reading, Al-Ahram Weekly, 25.6.2009)
Der Appell verweist auf die Kriegsdrohungen gegen den Iran und stellt fest:
In this dangerous war climate the entire U.S. and Western corporate media is again demonizing the Iranian government. It is using the media and well-funded, subversive organizations in a massive effort of destabilization and sabotage. Too often in the past this same combination of phony “human rights” organizations, who are given endless coverage in a corporate media frenzy, have helped to create a war climate through demonization, frauds and fabricated charges. This has happened before every U.S. attack or invasion, along with a concerted campaign of psychological warfare and internal destabilization in the target country. (mehr ...)Phil Wilayto, Beiratsmitglied von CASMII warnt in dem von mir bereits erwähnten "offenen Brief an die Friedensbewegung" ebenfalls davor, sich auf eine Seite zu schlagen: Auch wenn das Gros der Protestbewegung zweifellos fortschrittliche Ziele verfolgt, so darf man nicht übersehen, dass sie insgesamt nur eine Minderheit repräsentiert und maßgeblich gefördert wird von neoliberalen Privatisierungsbefürwortern um Mussawi und dem schwerreichen Ayatollah Rafsandschani.
Wer daher zur Unterstützung der "Pro-Mussawi Protestierer" aufrufe, unterstütze objektiv auch die "Pro-Privatisierungs-Ziele" Mussawis und stelle sich gegen "Millionen von Arbeiterklasse-Iranern", die ihre Sozialprogramme, Mindestlöhne etc. zu verteidigen suchen.
"Man kann Menschenrechtsfragen nicht von ihrem politischen Kontext trennen. Die Resolutionen für die Proteste und die offenen Briefe an die iranische Regierung, die nun in der US-amerikanischen und britischen Friedensbewegung zirkulieren, können zu einer weiteren Isolierung Irans beitragen, die zu mehr Sanktionen und einer wachsenden Wahrscheinlichkeit eines militärischen Angriffs durch die USA oder Israel führen."
JGuilliard - Sonntag, 12. Juli 2009