Duldung erkauft - zum Interview mit dem Vorsitzenden der Tudeh-Partei
In der Wochenendbeilage der jungen Welt vom 8./9. August erschein unter dem Titel: „Das ist der Anfang vom Ende des Regimes“ ein Interview mit dem
Vorsitzenden der Tudeh-Partei des Iran, Ali Khavari.
Man muß es nicht gelesen, es enthält vor allem viel Selbstbeweihräucherung der Partei (ihrem Selbtverständnis nach marxistisch-leninistisch).
So sieht er seine Partei nicht nur "an der Seite des Volkes" sondern "bis zu einem bestimmten Grad an der Spitze des Protests."
Vorsitzenden der Tudeh-Partei des Iran, Ali Khavari.
Man muß es nicht gelesen, es enthält vor allem viel Selbstbeweihräucherung der Partei (ihrem Selbtverständnis nach marxistisch-leninistisch).
So sieht er seine Partei nicht nur "an der Seite des Volkes" sondern "bis zu einem bestimmten Grad an der Spitze des Protests."
Auf die Frage ob die Tudeh-Partei keinen Widerspruch darin sieht, dass mit Mirhossein Mussawi ein Mann an der Spitze der Protestbewegung steht klar zum Establishment gehört und während der großen Kommunistenverfolgungen Premierminister war, antworterte er: "Richtigerweise vermeiden wir solche Fragestellungen, die der Einheit dieser breiten Volksbewegung schaden könnten."
Die jW veröffentlichte anschließend einen interessanten Leserbrief zu diesem Interview und der Tudeh-Partei den ich mit Erlaubnis des Autors hier in voller Länge widergebe.
Die jW veröffentlichte anschließend einen interessanten Leserbrief zu diesem Interview und der Tudeh-Partei den ich mit Erlaubnis des Autors hier in voller Länge widergebe.
Duldung erkauft
erschien gekürzt in junge Welt, 13.08.2009 / Leserbriefe / Seite 14
Das Interview mit dem Tudeh-Vorsitzenden überrascht. Zum einen widerspricht die Einschätzung der Oppositionsbewegung durch Ali Khavari nahezu allen bisher in jW veröffentlichten Berichten und Analysen.
Wenn ich bisher den Eindruck hatte, Ihr ignoriert die fortschrittlichen Kräfte innerhalb der sehr heterogenen iranischen Protestbewegung, so vermittelt das Interview den genau entgegengesetzten Eindruck. Ali Khavari ignoriert den starken Einfluss jener „liberalen“ Kräfte um Rafsandschani u.a., die zwar eine wirtschaftliche Öffnung des Landes gen Westen wollen, aber keine wirkliche Demokratisierung bzw. mehr soziale Gerechtigkeit.
Dieser Opportunismus ist leider typisch für die gesamte von ihm repräsentierte Tudeh-Partei, die während der sogenannten islamischen Revolution und auch danach eine sehr unheilvolle Rolle spielte. Zunächst vom Regime als einzige linke Kraft geduldet, lieferten Tudeh-Kader im Ausland, auch in der BRD, Linke ans Messer, die in Opposition zum theokratischen Regime in Teheran standen. Damit erkaufte sich die Partei praktisch ihre zeitweilige Duldung und Legalisierung durch das Khomeini-Regime. Einen entsprechenden Aufruf zur Denunziation hatte das ZK der Tudeh-Partei sogar in der parteieigenen Zeitung veröffentlicht.
Von dieser Praxis waren auch Iraner betroffen, die in Deutschland, etwa an der Universität Freiburg studiert haben. Ich habe das persönlich Anfang der 1980er Jahre als unabhängiger Fachbereichsreferent im UASTA der Freiburger Uni mitbekommen, als ich mich für linke Iraner eingesetzt habe, die von Strafanzeigen durch den damaligen (U)ASTA-Vorsitzenden und Chef der Juso-Hochschulgruppe - und damit von drohender Abschiebung (und in diesem Fall wahrscheinlicher Folterung) betroffen waren. Obwohl es zahlreiche weitere Beweise dafür gab, dass die Tudeh-Partei solche Iraner bei der Regierung in Teheran denunzierte, arbeiteten Jusos, SHB und MSB Spartakus weiter mit der Tudeh-Partei an der Freiburger Uni zusammen und bekämpften die unabhängige linke iranische Opposition.
Zu dieser bekannten Politik der Tudeh-Partei findet sich im Interview kein Wort. Entweder ist Peter Steiniger so ahnungslos, dass ihm diese opportunistischen und verbrecherischen Praktiken der Tudeh-Partei nicht bekannt sind oder aber er wollte seinen Interviewpartner schonen und ihm damit Gelegenheit geben, die Politik und Geschichte der eigenen Partei im hellen Licht des ungebrochenen Widerstands erstrahlen zu lassen. Letzteres wäre allerdings fatal und einer Zeitung wie der jungen Welt unwürdig.
Alexander Bahar
JGuilliard - Freitag, 14. August 2009