zu Simon Assaf, Aufständische trotzen Assads blutiger Repression

In ihrer Ausgabe vom 18.10.2012 veröffentlichte Marx21 einen mehr als fragwürdigen Artikel von Simon Assaf, mit der er für die Unterstützung der syrischen "Revolutionäre" warb: Aufständische trotzen Assads blutiger Repression

Auf den folgenden Brief an die Redaktion bekam ich bisher noch keine Antwort.

Liebe Freunde von Marx21,

inwieweit ist die von Simon Assaf vertretene Position zum Krieg in Syrien auch die Eure?

Für Assaf gibt es nur Sturz von Baschar al-Assad oder „Tod der Revolution“. Diese kompromisslose Linie lässt für eine politische Lösung, die ja nur aus, in Verhandlungen erzielten, Kompromissen bestehen kann, keinerlei Raum. Es ist somit ein Votum für eine Fortsetzung des Krieges bis zum Sieg oder zur Niederlage.

Wenn das auch Eure Position ist, so solltet Ihr so ehrlich sein und Forderungen nach einem Ende der Gewalt, einer politischen Lösung und ähnlichem sein lassen. Falls dies, wie ich hoffe, nicht der Fall ist, stellt sich natürlich die Frage, was Euch veranlasste, das lange Traktat ins Heft zu nehmen?
 
Für journalistische Sorgfalt spricht es jedenfalls nicht. Hättet Ihr Assaf nach einigermaßen überzeugenden Belegen durch unabhängige Quellen gefragt, so hätte er wohl kaum für zehn Prozent seiner Ausführungen etwas liefern können. Und schon die Überprüfung einiger Stichproben hätte gezeigt, dass der Text in vielen Fällen selbst zu dem quer liegt, was Mainstream-Medien und Experten berichten, die Assafs Ziel, den Sturz Assads, teilen.

Wenn man diesen Bericht über die tolle „Revolution“ so liest, dann fragt man sich, wo für Euch wohl das Syrien liegt, über das sonst von unterschiedlichsten Quellen berichtet wird. Das Syrien, wo die Opposition von den Muslimbrüder und anderen islamistischen Kräften dominiert wird; wo die bewaffneten Gegner der Assad-Regierung überwiegend aus islamistischen Kämpfer bestehen, die zum guten Teil aus Libyen, Irak und anderen islamischen Ländern kommen; Wo solche Kämpfer gewaltsam gegen Alawiten, Christen und andere Minderheiten vorgehen und aus ihren Stadtteilen und Dörfern vertreiben; Wo die Freischärlertruppen von den arabischen Feudalherren und einigen Nato-Staaten, finanziert, ausgebildet und mit enormen Mengen Waffen und sonstigem Equipment ausgerüstet werden; Wo Umfragen und den letzten Urnengängen zufolge, die Mehrheit der Bevölkerung an Assad festhalten oder zumindest keinen Umsturz will.

Da Euch Artikel in der junge Welt wahrscheinlich nicht überzeugen können, solltet Ihr z.B. mal die Syrien-Reports der International Crisis Group, die einer positiven Einstellung zum „Assad-Regime“ oder einer allgemeinen antiimperialistischen Gesinnung ja absolut unverdächtig sind, neben den Text legen oder besser noch Stellungnahmen von unabhängigen Experten, wie dem Mainzer Prof. Günter Meyer, u.a. Vorsitzender der Deutschen Arbeitsgemeinschaft Vorderer Orient. (z.B. in seinem sehr ausführliche Interview „Zu Syrien und weit darüber hinaus“, NachDenkSeiten, 27.9.2012, )

Hilfreich wären auch Berichte von Syrern vor Ort, die keiner oppositionellen Gruppe angehören. Beispielsweise von Vertretern christlicher Gemeinden, die man u.a. beim Presseorgan der Päpstlichen Missionswerke, Agencia Fides findet, unter ASIEN/SYRIEN sogar auf Deutsch. Hier liest man z.B.: Minderheiten und Zivilisten werden Opfer salafistischer Banden: ein Krieg zwischen Konfessionen muss verhindert werden oder Augenzeugen berichten: Christen sind Zielscheibe islamistischer Banden.

Dann würde auch Euch die unerträgliche Ignoranz Assafs deutlich, wenn er schreibt, Damaskus habe bisher „weniger Glück gehabt“ als Aleppo, da die Armee, die „nur leicht bewaffneten Rebellen zurückdrängen“ konnte.
Dafür würden ihm wohl die meisten Bürger Aleppos an die Gurgel gehen. Sie konnten ihre Stadt lange weitgehend aus den Unruhen heraushalten und müssen nun hilflos mit ansehen, wie Stadtviertel von ungerufenen „Befreiern“ militärisch besetzt und in Schachtfelder verwandelt werden. Sie selbst wurden zu Geiseln von in- und ausländischen Kämpfern, die ihren Krieg ohne Rücksicht darauf führen, was der Rest der Bevölkerung will. (siehe z.B. Bericht eines einheimischen Priesters: „In Aleppo leben Christen in der Hölle“ )

Sympathie mit fortschlichen Gruppen und ihren Zielen ist das Eine, aber man sollte auch in Syrien zwischen Wünschen und Realität unterscheiden, auch befreundeten Kräften nichts unbesehen glauben und verantwortungsbewusst auf Faktenbasis analysieren, welche Möglichkeiten eine historische Situation tatsächlich bietet, welche Kräfte am Werk sind und wie das Kräfteverhältnis zwischen den diversen inneren und äußeren Akteuren aussieht.

Viele Grüße,
Joachim Guilliard

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